Kürzlich durften wir Ihnen einen Einblick in ein aktuelles Innosuisse-Projekt geben, an dem wir mitarbeiten. In der Zwischenzeit stand uns Dr. Michael Klaas zum aktuellen Stand der Entwicklung Rede und Antwort. Er verantwortet das Projekt mit einem Team von Seiten ZHAW.
Vielen Dank Herr Klaas, dass Sie uns auf den aktuellen Stand des Geschehens bringen. Vielleicht wäre es gut nochmals auszuholen und zu erklären, wie und wo das Projekt überhaupt angesiedelt ist?
Ja, sehr gerne. Wir bewegen uns mit dem Projekt im Umfeld des Lead Nurturing und Scoring und sind dabei, ein Analytics-System zu entwickeln, das auf eine bessere Conversion bzw. Kaufabschluss abzielt. Dabei analysieren und adressieren wir die drei Ebenen der Kanalwahl, des richtigen Zeitpunkts und des passenden Inhaltes, welche am ehesten zu einem Abschluss führen.
In einem ersten Schritt wollen wir ein Empfehlungssystem zur Verkaufsunterstützung schaffen, in einem weiteren Schritt den Prozess automatisieren – letzteres sehen wir als Stretch-Goal des Projektes. Es gibt zahlreiche Hersteller und Anbieter auf dem Markt, die einzelne Bereiche entlang der Customer Journey betrachten, aber kein System, das dies so umfassend betrachtet.
Damit betreten Sie wirklich Neuland. Wie geht man so ein Projekt an?
Im Rahmen des Projektantrages, der selbst etwa ein halbes Jahr in Anspruch nahm, haben wir den genannten Rahmen gesteckt. Wir wussten, dass klassische Analysesysteme für diese Aufgaben an ihre Grenzen kommen und wir uns auf KI-basierte Modelle verlassen werden. Welche genau, wussten wir aber noch nicht.
Damit wir diese Modelle trainieren, optimieren und deren Treffsicherheit überprüfen können, benötigen wir eine relevante Datenbasis. Dazu gehören historische und möglichst aktuelle Daten über alle Kanäle und Touchpoints: E-Mail, SEA, Webseiten, teilweise auch offline. Dazu kommen die Daten aus dem gesamten Produktekatalog (PIM) dem CRM, Transaktions- und Analytics-Daten und mehr…
Worin lag hier die grösste Challenge? Die schiere Menge an Daten?
Nicht einmal das Volumen. Natürlich war die Aufbereitung der Daten aus verschiedensten Systemen anspruchsvoll. Wir konnten auf die Datenbasis eines beteiligten Online-Händlers zählen, vollständig anonymisiert versteht sich. Die grösste Herausforderung bestand in der Komplexität der umfassenden Datenbasis und deren Qualität.
Wir hatten verschiedenen KI-Modelle und Algorithmen zur Auswahl, konnten aber nicht vorhersehen, welche dazu am besten taugen und gleichzeitig wie viele Daten diese für einen genaue Vorhersage benötigen. Ein wesentlicher Teil der Arbeit besteht also darin, verlässliche Datenpunkte entsprechend aufzubereiten und selektieren, um die KI-Modelle zu trainieren. Aktuell sind das bis zu 50 oder 60 verschiedene Parameter.
Gibt es zur Treffsicherheit bereits Anhaltspunkte oder Zahlen, die sie uns nennen können?
Das Projekt ist noch nicht abgeschlossen und darum sind Werte und Aussagen unter diesem Vorbehalt zu betrachten. Wir konnten mit einer Wahrscheinlichkeit von 70-80% sagen, ob dank einer Massnahme eine Conversion stattfindet oder nicht. Weitere Experimente zielen darauf ab, die Warenkorbgrösse genauer vorauszusagen; diese sind bereits ziemlich zuverlässig. Aktuell arbeiten wir daran, dass die Empfehlungen noch etwas aussagekräftiger und besser interpretierbar werden. Auf der Ebene der Kanalwahl und der Inhalte, also zum Beispiel, mit welchen Messages, Betreffzeilen oder CTA’s die höchste Conversion-Chance besteht, ist dies besonders wichtig.
Wir gehen auf die Zielgerade des Projektes zu, vollführen gerade noch einen technologischen Wechsel. Das Erreichte und die zu erwartenden Ergebnisse stimmen mich aber positiv und zuversichtlich.
Können Sie uns einen Outlook geben, wie die Entwicklungen aus dem Projekt in der Praxis eingesetzt werden können?
Wann und wie genau daraus ein marktreifes Produkt entsteht ist noch ungewiss. Grundsätzlich haben wir uns bei der Entwicklung immer daran gerichtet, dass das System und die Modelle skalierbar in verschiedenen Unternehmen und Branchen eingesetzt werden können. Vorausgesetzt natürlich, dass die nötigen Daten vorhanden sind und Parametrisierung vorgenommen wird.
Ich glaube, dass wir uns in Zukunft immer mehr auf Analytics-Systeme wie diese verlassen werden und in dieser Entwicklung erst am Anfang stehen.
Herr Klaas, herzlichen Dank für die Einblicke und spannenden Ausführungen.
Über Dr. Michael Klaas
Dr. Michael Klaas ist Leiter der Fachstelle Digital Marketing am Institut für Marketing Management an der ZHAW tätig. Als Senior Dozent mit dem Schwerpunkt künstliche Intelligenz im Marketing und Design Thinking forscht und unterrichtet er an der ZHAW, an der HSG und Audencia Business School in Nantes.
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